Tamera-Manifest

für eine globale Friedenskultur

Dieter Duhm, 2000 (Leicht überarbeitet 2017)

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Hinweis der Redaktion: Seitdem dieses Manifest im Jahr 2000 geschrieben wurde, haben sich Tamera und das Institut für globale Friedensarbeit enorm weiterentwickelt. Um den ursprünglichen Charakter dieses Dokuments zu erhalten, haben wir darauf verzichtet, die Kapitel 10 und 11 zu aktualisieren.

Dieser Text geht an Vertreter verschiedener Menschenrechtsorganisationen, Natur- und Tierschutzorganisationen, Friedensprojekte, Zukunftsgemeinschaften und an Einzelpersonen, die in spezieller Weise in der Friedensarbeit engagiert sind. Wir bitten mit diesem Text um Unterstützung und Zusammenarbeit für die Entwicklung eines globalen Konzepts zur Beendigung des weltweiten Massakers an Menschen und Tieren. Der Kampf gegen die weltweite Verstümmelung des Lebens, der Kampf für die Befreiung von Völkern und Minderheiten, die Arbeit für die Heilung des Menschen und die Arbeit für die Heilung der Natur müssen in sinnvoller Weise miteinander verbunden werden. Der Text enthält einige Gedanken für den Aufbau einer globalen Friedenskraft und einer entsprechenden Perspektive für eine humane Zukunft. Wir bitten darum, diesen Text an engagierte Personen weiterzureichen.

TAMERA ist ein Friedensforschungs- und ausbildungszentrum im südlichen Portugal (Alentejo), wo seit 1995 mit ungewöhnlichen Methoden an der Heilung von Mensch und Erde gearbeitet wird.  Die Arbeit folgt den im Manifest dargelegten Gedanken und Zielen. Etwa 150 Mitarbeiter errichten die Gebäude, Versorgungssysteme und Infrastrukturen, die für das Projekt erforderlich sind. Das Ziel von Tamera ist der Aufbau eines Heilungsbiotops, wo einige Hundert Menschen nach den Prinzipien der gewaltfreien Kooperation mit allen Mitgeschöpfen zusammenleben und einen Stützpunkt für globale Friedensarbeit errichten.

1. Sieben Basissätze

  1. Wir stehen heute vor der größten Revolution seit dem Neolithikum. Es ist der Übergang von der patriarchalen Epoche in eine neue Form menschlicher Zivilisation.
  2. Die globalen Strukturen von Gewalt und Angst, Geschlechterkrieg und Männerherrschaft, Rassismus und Völkermord, Ausbeutung der Dritten Welt und Ausbeutung der Natur sind geschichtlich bedingt und lassen sich deshalb geschichtlich verändern.
  3. Auch die persönlichen Probleme, mit denen heute Millionen Menschen zu Therapeuten gehen, sind geschichtlich bedingt und bedürfen deshalb neben der individuellen Behandlung einer gesellschaftlichen und politischen Antwort.
  4. Umweltkrise und Inweltkrise sind zwei Seiten derselben Gesamterkrankung. Sie können nur in der Zusammenschau verstanden und gelöst werden.
  5. Durch den jahrtausendelangen Kampf gegen die Frau und durch die geschichtliche Unterdrückung der Sexualität ist die Geschlechterliebe weitgehend zerstört worden. Eine neue, gewaltfreie Kultur wurzelt in einem neuen Verhältnis der Geschlechter.
  6. Mit der imperialistischen Ausdehnung männlicher Herrschaft durch Staat, Religion und Kirche gingen die matriarchalen und die spirituellen Ursprünge menschlicher Kulturbildung verloren. Wir müssen sie auf neuer Ebene wiederfinden, um eine gewaltfreie und globale Kulturbildung zu ermöglichen.
  7. Kritik am bestehenden System kann heute nicht mehr genügen. Wir brauchen konkrete Orte auf der Erde, wo die neuen Lebensformen entwickelt und erprobt werden können. Solche Orte nennen wir „Heilungsbiotope“.

2. Es gibt nur ein Sein

Es gibt nur ein Sein. Alle existierenden Wesen haben teil an den Gesetzen und Kräften des einen Seins. Alle stehen miteinander in Beziehung, alle zusammen bilden das Netzwerk des Lebens.

Die Erde ist ein einheitlicher Organismus. Alle Wesen der Erde bilden zusammen einen einheitlichen Lebenskörper mit einer gemeinsamen Grundinformation (genetischer Code), einem gemeinsamen Bewußtsein und einem gemeinsamen Willen zum Leben.

Wenn das Netzwerk des Lebens gestört ist durch Gewalt und Angst, so erkrankt der gesamte Lebenskörper. Die Erkrankung der Natur und die innere Erkrankung des Menschen sind zwei Seiten derselben durch Gewalt und Angst erzeugten Gesamterkrankung.

Unsere moderne Zivilisation ist weitgehend aufgebaut auf der Zerstörung von Leben (Nahrung, Kleidung, Kosmetik, Medizin, Ausbeutung der Rohstoffe etc.). Die Opfer sind Pflanzen, Tiere, Kinder, religiöse oder ethnische Minderheiten, Völker der Dritten Welt und wir selbst.

Die Gewalt, die wir anderen Wesen zufügen, kommt als Krankheit, als Angst und innere Schwächung auf uns selbst zurück. Wir leben in einer Gesellschaft von kranken Menschen. Diese Art von Krankheit ist nicht durch individuelle Therapie heilbar.

Die Grundlagen unserer gegenwärtigen Lebensform sind ethisch nicht mehr zu verantworten. Sie machen uns direkt oder indirekt zum Mittäter einer globalen Katastrophe, der wir bei Fortsetzung dieser Entwicklung selbst zum Opfer fallen werden.

Das Problem läßt sich nicht mehr durch moralische Appelle oder Teilkorrekturen lösen. Wir brauchen ein neues Konzept der menschlichen Kultur und Gesellschaft, eine neue Sicht des Lebens und ein neues Konzept unseres Daseins auf der Erde.

3. Charta der Menschenrechte und der Rechte für alle Kreatur

Alle Wesen – Menschen, Tiere, Pflanzen, Stämme und Völker – haben ihren speziellen Sinn und ihre spezielle Funktion im Aufbau der Schöpfung. Alle haben ein Recht auf ihre besondere Lebensweise und ihren Daseinsstatus im Bauplan der Schöpfung. Alle haben ein Recht auf eine angstfreie Entwicklung.

Alle Wesen haben ein Recht auf eine gesunde und freie Betätigung ihrer Organe, ihrer Lebensfreude, ihrer Neugier, ihrer Liebesbeziehungen, ihrer Gemeinschaften, ihrer natürlichen Biotope und ihrer speziellen Verbindungen mit der Gesamtschöpfung.

Alle Wesen kommen (als Embryonen und Kinder) aus einer Welt der Geborgenheit und des Vertrauens. Alle haben ein Recht darauf, sich ein Leben lang in diesem Vertrauen zu entwickeln. Alle haben ein Recht auf jene fundamentale Art von innerer Gesundheit und Freiheit, die aus dem Vertrauen kommt.

Alle Wesen, die Haut und Fell haben, haben ein Recht auf Wärme und auf diejenigen Lebensbedingungen, durch die sie Wärme erhalten.

Alle Wesen haben ein Recht auf Nahrung und auf diejenigen Lebensbedingungen, durch die sie Nahrung erhalten.

Alle Wesen haben ein Recht auf freie Bewegung, die sie für ihre Entwicklung, ihre Freude, ihre körperliche und geistige Gesundheit brauchen. Sie dürfen nicht gefesselt oder in engen Käfigen gefangengehalten werden.

Alle Wesen haben spezielle Organe für die Entdeckung des Lebens und den Kontakt mit der Welt (Gliedmaßen, Genitalien, Flügel, Hörner, Schwänze, Krallen, Flossen etc.). Sie dürfen nicht durch Beschneidung und Verstümmelung daran gehindert werden.

Alle Wesen leben zusammen in einer großen kosmischen Bruderschaft (oder Schwesternschaft). Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier sind nicht prinzipiell, sondern nur graduell. Alle Wesen haben deshalb dasselbe Bürgerrecht auf der Erde.

4. Die globale Kette von Gewalt und Angst

Wir erleben heute das weltweite Erbe einer blutigen Geschichtsepoche. Was sich Menschen gegenseitig antun, was sie ihren Kindern antun, was sie den Tieren antun, kann nur noch ertragen werden durch eine rigorose Abwendung des Blicks. Weite Gebiete der Erde sind von den internationalen Hilfsorganisationen bereits aufgegeben worden, und von vielen Regionen hören wir deshalb nichts mehr in den Nachrichten, weil nichts mehr zu machen ist. Der einzige Grund, der uns heute noch ruhig schlafen lässt, ist der, dass wir (noch) nicht in der Reihe der Opfer stehen und uns nicht einmal vorstellen können, welche Realität hinter solchen Wörtern wie „Holocaust“, „Genozid“, „Bürgerkrieg“, „Waffenhandel“, „Geheimpolizei“, „Todesschwadron“, „Folter“, „Beschneidung“, „Verstümmelung“ etc. steckt. Alle diese Dinge gehören heute zur alltäglichen Realität von Millionen Menschen. Die ungeheuren Menschenrechtsverletzungen in einem Land wie China werden einem politischen und ökonomischen Kalkül untergeordnet. Die Folgen des internationalen Waffengeschäfts werden an Börsenkursen und Bankkonten gemessen, nicht an dem menschlichen Elend, das dadurch verursacht wird. Was hier passiert, durchfährt uns erbarmungslos, wenn wir daran denken: Die Kinder, die hier verbrannt oder verstümmelt werden, könnten unsere eigenen sein. Ein apokalyptisches Netzwerk der Gewalt hat sich über der Erde ausgebreitet, seitdem sich gegen Ende des Neolithikums der männliche Imperialismus gegen die Schöpfung, gegen das Leben, gegen das weibliche Prinzip erhoben hat.

Seit der patriarchalen Revolution besteht die Bedeutung der Macht darin, Gewalt auszuüben. Alle großen politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Systeme sind seitdem Systeme der Gewalt. Gewalt erzeugt Angst. Durch Angst werden die Menschen regierbar. Angst ist notwendig für die Aufrechterhaltung bestehender Gewaltsysteme. Angst ist die Blockierung unserer Liebesfähigkeit und Kontaktbereitschaft, sie ist auch die Kontaktsperre zwischen Mensch und Tier; Angst ist der zentrale ökologische Engpass unserer Zeit. Angst und Gewalt sind Zwillinge, von denen immer der eine den anderen hervorbringt. Angst führt zur Blockierung und Stauung elementarer Lebensenergien, wodurch in jedem ängstlichen Organismus eine latente Gewaltenergie entsteht. Auch die Gräueltaten des deutschen Faschismus folgten dem grausamen Prinzip dieser Energieentladung. Diesen Vorgang muss man ganz tief verstehen, um ihn lösen und überwinden zu können. Die Entfesselung angstvoller Organismen durch Machtparolen und Feindbilder führt zu Eruptionen von kollektiver Gewalt, wie wir sie derzeit überall auf der Erde erleben. Wir können das Problem nur lösen, wenn es gelingt, die globale Kette von Angst und Gewalt an einer wesentlichen Stelle zu durchbrechen.

Es genügen keine Friedensappelle und keine moralischen Argumente, denn Angst und Gewalt sind Vorgänge im menschlichen Organismus geworden, die tief mit der Struktur der bestehenden Gesellschaften verbunden sind. Heilungs- und Friedensarbeit ist deshalb nicht nur individuelle, sondern immer auch politische Arbeit. Friedensarbeit für die Erde leisten heißt in unserer Zeit: Lebensbedingungen, ökonomische Strukturen, Produktionsverhältnisse, soziale Räume, sexuelle Räume, ökologische Umwelten und geistige Strukturen aufzubauen, welche in der Lage sind, strukturellen Frieden und strukturelle Heilung zu erzeugen.

Das Schlüsselwort für strukturellen Frieden heißt Vertrauen. Angst und Gewalt können strukturell nur überwunden werden durch die Wiederherstellung jenes Urvertrauens, mit dem wir alle einmal unser Leben begonnen haben. Eine der wichtigsten Aufgaben derzeitiger Friedensarbeit ist deshalb der exemplarische Aufbau von Vertrauensräumen, wo dieses Urvertrauen zwischen allen Wesen wieder entstehen kann.

Friedensarbeit leisten heißt des Weiteren, sich mit angstfreier pazifistischer Militanz für den Schutz des Lebens einzusetzen, wo immer man sich befindet. Lebensentscheidungen von solcher Art verlangen eine hohe revolutionäre Kraft. Sie entsteht dort, wo wir zu verstehen beginnen, was wir durch die Gewohnheit des Schweigens unseren Mitgeschöpfen angetan haben.

5. Stoppt das Massaker an Tieren

Ein spezieller Aspekt der globalen Gewalt ist die Gewalt an Tieren. Die alltäglichen Greuel, die hier weltweit begangen werden, übertreffen an Grausamkeit und an Zahl jede Beschreibung. Was erlebt ein Hund, wenn er in der medizinischen Abteilung einer Universität lebendig seziert wird (Vivisektion)? Auf welchen Methoden von Tierhaltung und Tiervernichtung beruht unsere Gastronomie, unsere Kosmetik, unsere Pharmazie, unsere Kleidung? Welche Information von Angst und Grausamkeit wird durch ein Tierlabor, eine Pelztierfarm, einen Schlachthof in den Äther geschickt, vieltausendmal am Tag? Welche Leidensreise hat jenes Wesen durchgemacht, das jetzt bei McDonald als Hamburger oder BigMac angeboten wird? Es kann auf der Erde keinen Frieden geben, solange wir aktiv oder passiv, als Täter oder Mittäter den Massenmord an Tieren zulassen.

Die Tiere sind Wesen wie wir, nur auf einer anderen Entwicklungsstufe. Sie sind beseelte, liebende, verspielte, neugierige, kontaktsuchende Wesen, die unsere Unterstützung brauchen, um auf diesem Planeten wieder zu einer sinnvollen Entwicklung zu kommen. Sie sind oft wie Kinder. Sie gehören zum Lebenskörper der Erde und sind – jedes auf seine Art und mit seinen besonderen Fähigkeiten – mitbeteiligt an der universellen Forschung, durch welche das Leben auf der Erde seinen Reichtum, seine Tiefe und seine Vollkommenheit erlangt. Sie helfen uns, das Leben zu verstehen, neue Möglichkeiten zu sehen, neue Orientierungen und neue Kommunikationsformen zu erlernen. Einige von ihnen, vor allem Wale und Delphine, haben unter Wasser eine kosmische Existenz und eine Intelligenz aufgebaut, welche unserer gegenwärtigen Kultur in mancher Hinsicht überlegen ist. Wir haben von ihnen zu lernen statt sie zu töten. Mensch und Tier sind Teil desselben Lebenskörpers der Biosphäre, sie brauchen und ergänzen einander wie die Organe eines Leibes. Sie sind nicht nur auf Koexistenz, sondern auf aktive Kommunikation miteinander angelegt. Wo die wieder gelingt, merken wir, was die ursprünglichen Friedenskulturen der Erde immer gewusst haben: Tiere sind wie wir ein Aspekt des einen Seins und des einen Bewusstseins, und nur gemeinsam können wir die Schönheit des Lebens auf der Erde verwirklichen.

6. Die Macht der konkreten Utopie

Wenn wir den Krieg überwinden wollen, brauchen wir eine konkrete Vision für den Frieden. Wenn wir das globale Kraftfeld der Gewalt überwinden wollen, brauchen wir eine konkrete Vision für ein globales Kraftfeld des Friedens. Wir haben in der Studentenrevolte der Sechziger Jahre gesehen, wie leicht Menschen in der Lage sind, gemeinsam gegen etwas zu kämpfen, und wie schwer es ihnen fällt, auch gemeinsam zu leben. Wir konnten das Problem einer Polizeikette lösen, aber nicht das Problem des Geschirrspülens in unseren Wohngemeinschaften, nicht das Problem der Hierarchie in unseren Gruppen und schon gar nicht das Problem der Sexualität. Außer einigen Parolen vom herrschaftsfreien Leben gab es noch keine positive Vision, keine konkrete Utopie für eine neue Lebensweise. Die bisherigen Befreiungskämpfe waren meistens Kämpfe gegen bestehendes Unrecht und noch nicht ein Kampf für die Verwirklichung einer klar gesehenen und realistischen Vision von Frieden und Gerechtigkeit.

Die Aufgabe von TAMERA ist die profunde Entwicklung einer konkreten Utopie für eine neue Form menschlicher Kultur und Gesellschaft und für eine neue Verbindung unseres Lebens mit den Wesen der Natur und den Kräften der Schöpfung. Eine solche konkrete Utopie enthält ein relativ präzises Bild und eine komplexe Gesamtinformation für eine reale Friedenskultur. Utopie unterscheidet sich von Illusion dann, wenn sie mit dem inneren Bauplan und den Möglichkeiten der Realität, also des Universums, übereinstimmt. Alle Wesen haben eine konkrete Utopie (als sogenannte „Entelechie“ und innere Zielgestalt) in sich, die ihre Entwicklung steuert. Die Macht der konkreten Utopie ist groß, sie macht aus dem Samenkorn einen ausgewachsenen Baum, aus der Raupe einen Schmetterling, aus dem Embryo einen erwachsenen Menschen. Die Einzelwesen besitzen diese Macht nicht aus eigener Kraft, sondern aus ihrer Verbindung mit dem Ganzen, Die konkrete Utopie ist die Matrix oder die Blaupause, durch welche die Macht des Ganzen in das Wesen einströmt und es zur Verwirklichung bringt. Würde die Raupe aus eigenem Entschluss ein Schmetterling werden wollen, so stünde sie vor einer unlösbaren Aufgabe.  Die konkrete Utopie ist derjenige Machtfaktor im Leben, der alle Wesen über ihre momentane Begrenzung hinausführt.

Das Wirken der konkreten Utopie folgt einem Kraftprinzip, welches allen mechanischen Prinzipien weit überlegen ist. Ein winziger Graskeimling kann eine fünf Zentimeter dicke Asphaltdecke durchstoßen. Er kann dies wiederum nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Verbindung mit dem Ganzen, welche ihm durch seine innere Blaupause mitgegeben ist. Der Machtkampf zwischen dem Graskeimling und der Asphaltdecke wird somit auf einer gänzlich anderen Ebene entschieden. Auf analogem Wege könnten sich die Friedenskräfte gegen die äußerliche Übermacht der  Zerstörungskräfte durchsetzen.

Es besteht kein Zweifel, dass eine fundamentale Wendung zu einer Zukunft ohne Gewalt möglich ist, wenn es uns gelingt, für uns und unsere gesellschaftliche Entwicklung die richtige konkrete Utopie zu finden. Wir hätten damit die Matrix oder Blaupause gefunden, durch welche die gesamte Macht der Schöpfung in unsere Arbeit einströmen könnte. Es ist die einzige Macht, die stärker ist als der Krieg. Und genau dies ist der zentrale Gedanke von TAMERA: die konkrete Utopie zu entwickeln, die in der entelechialen Entwicklung der Geschichte heute ansteht,  und mit der Kraft dieser Friedensutopie einzuwirken in die Entscheidungskämpfe unserer Zeit.

Der innere „Traum“ der Menschheit ist die überall noch uneingelöste, aber dennoch reale Vision einer globalen, solidarischen, zusammengehörenden Menschen- und Völkergemeinschaft, verbunden in gemeinsamer Fürsorge und Liebe für alles Leben auf der Erde. Was bedeutet dieser Traum konkret für Ernährung und Produktion, für das Zusammenleben der Geschlechter, für die politische Organisation der neuen Gemeinschaften, für die weltweite Kommunikation, für die Zusammenarbeit mit den Wesen der Natur und den Kräften der Schöpfung? Was bedeutet er für unser Zusammenleben mit Wildtieren, mit Haustieren, mit Schnecken im Garten? Was bedeutet er konkret in Bezug auf unseren Alltag, unsere Art zu essen, zu arbeiten, zu lieben, zu beten? Mit welcher Art von Kraftsammlung und von spiritueller Lebenspraxis sind wir in der Lage, die in uns und in der Geschichte angelegte konkrete Utopie zu sehen und zu verwirklichen? Wir stehen mit diesen Fragen unmittelbar vor dem archimedischen Punkt, an dem sich so vieles entscheidet. Es gibt keinen Grund mehr, in den Korsetts des alten Lebens steckenzubleiben.

7. Heilungspunkte auf der Erde

Die Erde ist durchzogen und umgeben von einem Netzwerk geomantischer Linien (Kraftlinien). Diesen Energiebahnen entlang haben unsere Vorfahren ihre sakralen Stätten und ihre Pilgerwege gebaut. Noch heute finden wir dort viele Relikte der alten Zeit, die allerdings oft von späteren Epochen überformt worden sind. Besonders die christliche Kultur bediente sich der uralten „heidnischen“ Kraftorte, um sie in ihrem Sinne umzufunktionieren. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Kathedrale von Chartres, deren gotischer Riesenbau sich über vier alten historischen Schichten erhebt, die alle kultischen Zwecken gedient haben. Wo große Energiebahnen zusammenkommen oder sich kreuzen, liegen natürliche Heilungspunkte der Erde. Sie sind mit den Akupunkturpunkten im Meridiansystem unseres Leibes vergleichbar. Auf den größten Energieknotenpunkten lagen die machtvollen sakralen Zentren der alten Menschheit. Hier entstanden lange vor unserer Zeitrechnung die alten Steinkreise (oft viel älter als Stonehenge), die alten Orakelstätten und die alten Tempel, zum Beispiel auf Malta. Hier waren auch die Einweihungsstätten der für das heilige Amt ausgewählten Menschen. Die Priesterinnen, welche diese Zentren betreuten, hatten vor allem die Aufgabe, die weltweite Kommunikation dieser Zentren untereinander zu sichern und somit das globale Heilungsfeld der Erde zu pflegen. Wir finden heute in allen Kontinenten der Erde die Reste dieser heiligen Zentren einer globalen Urreligion, so zum Beispiel in Peru, Portugal, Irland, Eritrea, Malta, Indien, Tibet, Australien und Polynesien. Diese Plätze sind noch nicht „erloschen“, ihre Informationen und ihre spirituellen Lebenskräfte wirken noch. Im Rahmen einer globalen Heilungsarbeit könnte es sinnvoll sein, sie zu reaktivieren und ihr geistiges Verbindungsnetz wieder herzustellen. Die Wiederherstellung eines gesunden geomantischen Netzwerkes auf der ganzen Erde gehört zu den Heilungsaufgaben der neuen Epoche.

Der zweite Aspekt im globalen Heilungsnetzwerk sind die noch vorhandenen Friedenskulturen der Erde. Trotz ihrer Ausrottung in der patriarchalen Epoche, besonders in christlicher und kolonialistischer Zeit, existieren einige von ihnen noch in relativ ursprünglicher Form, zum Beispiel einige Gruppen der Aborigines in Australien, einige Gruppen der tibetischen Ureinwohner, der Eskimos, der Indianer, Inder, Afrikaner, Andenvölker etc. Hier ist noch ein uraltes Weltwissen von einer heilen Erde und von den ewigen Schöpfungszusammenhängen lebendig, welches wir auf einer neuen Stufe wieder aufnehmen müssen, um uns wiederzuverbinden mit der Macht und dem Heiligtum der Schöpfung. Es ist ein absolutes Gebot der Stunde, diese Friedensvölker vor weiterer Vernichtung zu schützen.

Der moderne Geist des kommenden dritten Jahrtausends muss die Verbindung mit den überzeitlichen geistigen Quellen der archaischen Zeit aufnehmen, ohne dabei in alte Kulturformen zu regredieren. Die Menschheit lebte jahrhunderttausendelang aus diesen Quellen, ehe sie durch die patriarchale Revolution von ihnen getrennt wurde. Das Wissen dieser Quellen ist in unseren Zellen gespeichert, es ist also noch vorhanden und kann heute wieder geweckt werden. Die heute noch lebenden Friedensvölker sind nicht eine Attraktion für Touristen, sondern sie sind die letzten Träger eines einmal vorhanden gewesenen Friedenswissens auf der Erde. Die Begegnung mit ihnen ist notwendig, um das alte Friedensfeld mit dem neuen verbinden zu können. Sie brauchen unsere Hilfe und wir ihre.

8. Das Thema der Geschlechter

Es kann auf der Erde keinen Frieden geben, solange in der Liebe Krieg ist. Die fünf­tausendjährige Geschichte der patriarchalen Epoche ist die Geschichte eines Geschlechter­kriegs, der bis heute nicht beendet ist. Der geschichtliche Kampf gegen die weibliche Welt ist das grausamste Kapitel der bisherigen Menschheitsgeschichte. Niemand von uns hat sich bis heute davon erholt. Wir werden nur dann fundierte Friedenskonzepte für Mensch und Erde entwickeln können, wenn wir in der Lage sind, diesen verrückten Kampf zu durchschauen und zu beenden, auch an uns selbst. Es ist eine der ersten Aufgaben aller Zukunftsprojekte, alle Kräfte einzusetzen, um das Geschlechterverhältnis von den Tabus, den Vorurteilen, den Gemeinheiten und Grausamkeiten einer wahnsinnigen Epoche zu befreien. Eine neue, gewaltfreie, liebende Kultur wurzelt ganz wesentlich auch in einem neuen, liebenden, gewaltfreien Verhältnis der Geschlechter. Dies ist ein Punkt, der in den neuen Konzepten für Ökologie, Spiritualität und Heilung nicht mehr übersehen werden darf, wenn wir zu realistischen Lösungen kommen wollen. Es gibt keine gesunde Ökologie ohne gesunde und erfüllte Sexualität.

Wir alle gehen aus der sexuellen Verbindung von Mann und Frau hervor. Die Sexualität ist die biologische Quelle unseres Lebens, sie ist tatsächlich das „Thema Nummer Eins“, so wahr wir leibliche Menschen sind. Eine Störung in der Sexualität ist eine Störung des gesamten Organismus. Fast alle Erkrankungen der westlichen Gesellschaften sind mitbewirkt durch eine Störung im sexuellen Energiehaushalt, und die meisten seelischen und psychosomatischen Zeitkrankheiten gehen zurück auf ungelöste Probleme in der Geschlechterliebe. An ungelösten Liebeskonflikten sterben jährlich weit mehr Menschen als an Autounfällen, und auch diese haben oft denselben Hintergrund. Solange die Geschlechter in der Liebe keine Erfüllung finden, müssen sie diesen Mangel kompensieren durch Tourismus, Konsum, Status, Macht und Krieg, und eben dies sind die Grundlagen der derzeitigen kapitalistischen Weltgesellschaft.

Die Voraussetzung für eine gewaltfreie Zukunft ist die globale Überwindung des Geschlechterkriegs,  die Befreiung des Mannes von seinen heimlichen Sexualängsten und Insuffizienzgefühlen, die Wiederverbindung der Frau mit ihren ursprünglichen Kraftquellen und ihren zentralen Aufgaben in der menschlichen Gesellschaft, und schließlich die Befreiung beider von der Wahnvorstellung, dass Eifersucht zur Liebe gehöre. Mann und Frau sind die beiden polaren Hälften des einen Wesens Mensch. Sie müssen jetzt so zusammenkommen, dass sie „passen“, damit es zu jener dauerhaften Erfüllung kommen kann, welche in der seelischen und körperlichen Geschlechterliebe angelegt ist. Wir kommen hier an der Auseinandersetzung mit durchdachten Konzepten der freien Liebe nicht mehr vorbei. Liebe und Sexualität sind universelle Lebenskräfte, sie können in einer universellen Friedensgesellschaft nicht mehr an einen einzigen Menschen gebunden und nicht von privaten Zäunen umgeben werden. Freie Liebe und feste Partnerschaft schließen sich in einer Friedenskultur nicht mehr aus, sondern bedingen und ergänzen einander. Die alten Muster von sexueller Treue und Eifersucht basieren auf dem Misstrauen der Geschlechter. Die tiefste Freiheit, welche aller Freiheit zugrunde liegt, ist die Freiheit der Geschlechterliebe. Aus ihr entsteht die neue Ethik und die neue Ordnung, worin sich Menschen nicht mehr voreinander verleugnen und verstecken müssen. Aus ihr entsteht auch die echte, kraftvolle, gewaltfreie Freude des Lebens. Hier liegt ein Kerngehalt der konkreten Utopie, die jetzt zur Verwirklichung ansteht.

Zukunftsgemeinschaften und neue Lebensprojekte werden auf Dauer nur funktionieren können, wenn sie das Prinzip der freien Liebe kennen, wenn sie wissen, dass es nicht im Gegensatz steht zu einer Ethik der Treue und Verantwortung und dass es tatsächlich befolgt werden darf. Für die Entstehung dieser neuen Kraft brauchen wir ein großes freiheitliches und gemeinschaftliches Umfeld, jede Art von Ideologie und Gruppendruck ist sinnlos, wenn es um derartig tiefgreifende Veränderungen unserer inneren Montagepunkte geht. Das gilt für unsere erotischen Quellen ebenso wie für die geistigen und religiösen.

9. Globale Feldbildung durch punktuelle Arbeit

Wir können der weltweiten Gewalt nicht mehr mit Gegengewalt begegnen, die Zeit der gewaltsamen Revolutionen ist vorbei. Erstens sind sie aussichtslos angesichts der realen Machtverhältnisse, zweitens erreichen sie nie das humane Ziel, denn Gewalt – auch Gegen­gewalt – erzeugt immer Angst und neue Gewalt. Das ist ein psychologisches Gesetz, welches noch von keiner Revolution überwunden werden konnte. Wir brauchen also für die globale Friedensarbeit ein grundlegend anderes Konzept. Ein wesentlicher Punkt in diesem neuen Konzept ist die globale Feldbildung durch punktuelle Eingriffe – oder kurz: das Feldgesetz.

Um einen menschlichen Körper von einer Krankheit zu befreien, braucht man nicht alle seine Organe und Zellen einzeln zu behandeln. Es genügt eine neue Information, die man eingibt, ein Anstoß in der heilenden Richtung, ein Medikament oder einige Akupunkturnadeln an den richtigen Stellen. Wenn mit diesen Maßnahmen die Energiebahnen und Energiezentren getroffen werden, verrichtet der Körper den Rest der Arbeit von selbst. Dieses Gesetz lässt sich auf den Gesamtorganismus der Erde übertragen: Es genügt die Eingabe eines konzentrierten Friedensimpulses an ausgewählten „Akupunkturpunkten“ bzw. Energiezentren, um die Erde als Ganzes anzuregen. (Ich spreche hier von einem theoretischen Prinzip. Die Notwendigkeit konkreter Friedensarbeit in den Notgebieten der Erde soll dadurch niemals bestritten werden, sie bildet einen wesentlichen Bestandteil der in Tamera gegründeten Friedensschule, siehe Punkt 11.)

Der Grund für diese Funktionsweise liegt darin, dass es sich bei der Erde und ihrer Biosphäre um einen einheitlichen Organismus, einen einheitlichen Lebenskörper und einen einheitlichen Informationskörper handelt. Dies zeigt sich unter anderem im genetischen Code, dessen mathematische Grundstruktur in allen Lebewesen – Pflanzen, Tieren und Menschen – dieselbe ist. Alle Wesen folgen also derselben Grundinformation des Lebens. Parallele Weltformeln wie der genetische Code und das altchinesische I Ging bezeugen durch ihre mathematische Ähnlichkeit eine ähnliche Informationsstruktur im molekularen wie im geistigen Bereich. Wenn wir in diesen einheitlichen Informationskörper der Biosphäre – Teilhard de Chardin nannte ihn die „Noosphäre“ – eine neue Information hineingeben, welche mit dem Gesamtsystem kompatibel ist, so wirkt diese Information im Gesamtsystem der Noosphäre wie ein Medikament im Gesamtsystem unseres Körpers. Alle Wesen haben teil an der Noosphäre, in allen wirkt deshalb – zumindest latent – die eingegebene Information. Durch die Information entsteht ein neues „Feld“.

Jede Einzelaktion kann ein neues Feld bewirken, wenn sie mit einer neuen Information verbunden ist. Als Reinhold Messner ohne Sauerstoffgerät auf den Mount Everest stieg, schuf er eine neue feldbildende Information. Von da an war es auch für andere möglich, ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest zu besteigen. Es gibt viele derartige Beispiele aus Sport und Technik. Das Prinzip der „morphogenetischen Feldbildung“ gilt überall in der Evolution, denn es folgt direkt aus der holographischen Funktionslogik des globalen Lebenskörpers, in welchem alle Wesen miteinander verbunden sind. Wenn es also gelingt, in einigen neuen Kulturzentren der Erde eine umfassende Information für eine Kulturbildung ohne Angst und Gewalt aufzubauen, dann wirkt diese Information nicht nur an den speziellen Orten, sondern in der gesamten Noosphäre der Erde. Die Folge wird sein, dass kurz darauf auch an anderen Plätzen der Erde solche Modelle entstehen.

Wir sind nicht nur durch die Medizin und das Studium biologischer Systeme, sondern auch durch die Modelle der Chaosforschung auf solche Möglichkeiten vorbereitet. Kleine Drehungen an einem kleinen Punkt der Erde können infolge mathematischer Selbst­verstärkungen zu einer riesigen Gesamtwirkung führen. Durch die Verbindung solcher Resonanz- und Multiplikationseffekte gewinnen wir eine politische Theorie von neuartiger logischer Struktur. Das System arbeitet „von selbst“, wenn sein Mechanismus auf die richtige Weise angestoßen worden ist.

So gehört es auch zu den dringenden Aufgaben globaler Friedensarbeit, auf der Erde  solche Kraftpunkte einer konkreten Friedensinformation aufzubauen. Je umfassender die neue Information ist, je mehr Bereiche des Lebens sie einschließt, je komplexer sie ist und je tiefer sie den Zusammenhängen unserer geistigen und unserer biologischen Existenz auf den Grund geht, desto mehr ist sie verallgemeinerbar und desto mächtiger ist ihre globale Feldwirkung. Hier gilt das schöne Wort von Victor Hugo: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

10. Gründung von Heilungsbiotopen

Die zu gründenden Kraftzentren nennen wir „Heilungsbiotope“. Ein Heilungsbiotop ist eine Lebensgemeinschaft von Menschen, Tieren und Pflanzen, deren Lebenskräfte sich gegenseitig ergänzen und nicht mehr durch Gewalt oder Angst behindert sind. Der zugrunde liegende Heilungsgedanke ergibt sich aus der Zusammengehörigkeit aller Lebewesen.

Es gibt keine isolierten Strukturen. Alle Wesen leben in Beziehungen zu anderen. Alles Sein ist kommunitär. Heilung ist deshalb kein isolierter Vorgang, sondern ein Vorgang, der sich in der Beziehung zu anderen Wesen abspielt. Die Heilung eines Menschen vollzieht sich in seinen Beziehungen zu seinen Mitmenschen, aber auch in seiner Beziehung zu Tieren, Pflanzen, Natur und Schöpfung. Die tiefste – biologische und geistige – Heilkraft ist das Vertrauen. Das Hologramm der Angst muss bis in die zellulären Vorgänge hinein durch das Hologramm des Vertrauens ersetzt werden. Wenn dieser Umschlagpunkt erreicht ist, entsteht in allen Beziehungen die neue Information, die wir brauchen für die Entstehung des neuen Kraftfeldes. Dieser Vorgang geht sehr weit. Wo Vertrauen ist, vergeht zum Beispiel die Angst vor Schlangen. Oder es entsteht der Mut, von großer Höhe ins Wasser zu springen. Wo Vertrauen ist, entsteht keine Verlustangst und keine Eifersucht. Es entstehen auch keine Gedanken von Hass und Gewalt. Vertrauen ist die Energie des Friedens: Vertrauen zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen Männern und Frauen, zwischen verschiedenen Gemeinschaften und Völkern, zwischen Menschenwelt und Tierwelt, zwischen Mensch und All.

Die Herstellung des Vertrauens in einer Gemeinschaft erfordert viel Einsatz, denn in den entscheidenden Situationen, wo es um Sex, Liebe, Macht oder Geld geht, sind wir eher auf Misstrauen programmiert. Wir brauchen ein sehr durchdachtes und sehr fundiertes Konzept von der menschlichen Gemeinschaft, um unsere traumatischen Knoten aufzulösen und Vertrauen zu erzeugen. Vertrauen ist vor allem eine Frage der Wahrheit. Wieviel Wahrheit verkraften zwei Liebende, wie viel Wahrheit verkraftet eine Gemeinschaft, und wie geht sie mit der Wahrheit um? Wer sich nicht mehr verstellen muss vor anderen, muss auch keine Angst mehr haben, nicht geliebt zu werden. Und wer diese Angst nicht mehr hat, kann echte Humanität entwickeln.

Zum Aufbau stabiler Gemeinschaften gehört die Arbeit an der eigenen Person.  Damit Friedenskräfte nach außen wirksam werden können, müssen sie im Inneren der Friedensarbeiter fest verankert sein. Unsere persönlichen Defekte sind nicht unsere Privatsache; sie sind ein Abbild der globalen Defekte, und je mehr wir in uns selbst lösen können, desto mehr können wir auch im Äußeren lösen.

Ein interessantes Element im Heilungsbiotop ist das Sanktuarium. Das Sanktuarium war in früheren Kulturen ein Ort, an dem niemand bestraft werden durfte. Verbrecher, welche diesen Ort erreicht hatten, durften nicht weiter verfolgt werden und konnten dort ein neues Leben beginnen. Es ist für die Heilung unserer Gedanken wichtig, dass wir auf diese Tradition zurückgreifen und den Gedanken der Vergebung voll verstehen lernen. Jeder von uns hat Hass erlebt gegen bestimmte Menschen. Sind wir fähig und bereit zu vergeben? Ist unser Friedenswissen und unser Friedenswille schon tief genug dafür? Dieses Thema kommt auf uns zu, wenn wir die Kette von Angst und Gewalt tatsächlich durchbrechen wollen. Wir werden unweigerlich an die inneren Stellen geführt, wo sich die Macht und die Souveränität unserer Friedensarbeit bewähren kann.

Heilungsbiotope sind in Aufbau und Lebensweise mit einem neuen planetarischen Denken verbunden. Energieversorgung, Wasserverbrauch, Ernährung, Konsum und Recycling orientieren sich langfristig an den Erfordernissen der globalen Heilung. Die Lebensweise ist relativ karg, aber energievoll. Durch die Einbettung in das kosmische Ganze verlagern sich die Schwerpunkte und Kraftzentren des Lebens. Das Ego-Prinzip weicht dem universellen Bewusstsein und dem universellen Energiestrom. Dadurch werden Kraftreservoirs erschlossen, die uns neue Möglichkeiten geben für Heilungsarbeit, Technologie und globale Feldbildung.

Heilungsbiotope sind reale Keimzellen der Zukunft und wirken im Sinne der „morphogenetischen Feldbildung“. Mit der Entstehung des ersten Modells steigt die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung des nächsten und übernächsten. Die Zeit ist reif für die Gründung solcher Heilungsbiotope in allen Kontinenten. Je mehr Heilungsbiotope entstehen – womit in den nächsten zwei Jahrzehnten zu rechnen ist – desto dichter wird die globale Feldwirkung. Die kommende globale Erdengemeinschaft erwächst aus einem Netzwerk von Heilungsbiotopen, Gemeinschaften und Völkern, welche die Daseinsweise des Vertrauens und der Kooperation mit allen Mitgeschöpfen angenommen haben.

11. Das Projekt Tamera

Tamera ist ein Friedensforschungs- und Ausbildungszentrum auf einem Gelände von 140 ha in Portugal, wo eine wachsende Gruppe von Friedensarbeitern seit 1995 die Lebensbedingungen schafft für die Entwicklung eines Heilungsbiotops. Die Arbeit orientiert sich an den beschriebenen Gedanken und Zielen.

In Tamera entsteht eine Friedensschule, wo in Theorie und Praxis die Grundlagen der Heilungsarbeit vermittelt werden. Dazu gehört immer auch die Heilung der eigenen Person. Wir können im Äußeren keine Friedenskraft aufbauen, wenn sie nicht in uns selbst vorhanden ist. Wir brauchen eine konkrete Vision für den Frieden, auch für unseren eigenen, um dem Krieg wirkungsvoll entgegentreten zu können. Wir müssen die weltweite Kette von Gewalt und Angst auch in uns selbst erkennen und überwinden, wenn wir realistische Konzepte entwickeln wollen für ihre globale Auflösung. Diese permanenten Zusammenhänge zwischen Innen- und Außenstruktur bilden ein Grundthema ganzheitlicher Friedensarbeit. Zu den Themenbereichen der Schule gehören deshalb auch Themen des inneren Lebens wie: Kunst der Angstüberwindung – Sexualität und Heilung – Logik der Liebe – Gemeinschaftsaufbau und Gruppenleitung – Kosmologie und Religionsforschung – Evolution und Frühgeschichte –  Macht der konkreten Utopie. Alle Teilnehmer der Schule durchlaufen ein  geistiges und menschliches Training, mit dem sie sich von ihren eigenen Engpässen befreien können. Das Ziel der Ausbildung ist die Übernahme einer beruflichen Aufgabe in Tamera oder in einer anderen Zukunftsgemeinschaft oder in der internationalen Friedensarbeit.

Die Friedensschule dient der Ausbildung von Menschen, die sich entschlossen haben, ihre Arbeit und ihren zukünftigen Beruf in den Dienst der Heilung und der globalen Friedensarbeit zu stellen. Wirkungsvolle Friedensarbeiter brauchen ein Engagement und eine berufliche Energie, welche auch dann stabil bleibt, wenn zum Beispiel ihr Liebesleben vorübergehend wackeln sollte. Sie brauchen aber auch eine berufliche Aufgabe, welche sie befähigt, ihre persönlichen Konflikte zu lösen und ihr Liebesleben zu vertiefen. Berufliche und „private“ Existenz, Revolution und Liebe, politische Arbeit und persönliche Emanzipation müssen zusammenkommen, wenn wir die Macht und die Lebensweise hervorbringen wollen, welche für den Aufbau des Friedens auf der Erde erforderlich sind. Dies ist ein Grundgedanke aller Ausbildungsgänge in der Friedensschule von Tamera. Eine gewaltfreie Kultur braucht neue Berufsbilder und neue Ausbildungsgänge, damit eine langfristige Arbeit möglich wird.

Für jüngere Leute, die sich dieser Arbeit annähern wollen, entsteht eine Jugendschule für globales Lernen. Für viele junge Menschen ist der Eintritt in die bestehende Berufswelt sinnlos geworden. Sie brauchen eine andere Lebensperspektive und die Möglichkeit, sich auf ihre neuen Berufe im Rahmen einer globalen Friedenskultur vorzubereiten. Zu diesem Zweck werden von Tamera aus Reisen unternommen, wo Jugendliche teilnehmen an der Friedensarbeit in anderen Ländern und dadurch einen „kosmopolitischen“ Blick bekommen für die Situation der Erde. Die Jugendschule dient unter anderem der Entwicklung eines neuen Verhältnisses zur Natur und eines echten Vertrauensverhältnisses zwischen Mensch und Tier.

12. Institut für globale Friedensarbeit (IGF)

Der Anlass für die Herstellung und Verteilung dieses Manifestes war die Gründung des Instituts für globale Friedensarbeit (IGF) in Tamera im Jahre 2000. Das Institut hat die Aufgabe, die globale Netzwerkarbeit zu beschleunigen und die im Heilungsbiotop gesetzten Ziele an möglichst vielen Orten der Erde zu verwirklichen. Ich möchte die Ziele noch einmal in Stichworten aufzählen:

  • Kooperation mit der Natur und allen ihren Wesen
  • Wiedereinordnung der menschlichen Biotope in das Gesamt-Holon der Schöpfung
  • Erfüllte Sexualität und Beendigung des Geschlechterkriegs
  • Auflösung der globalen Kette von Gewalt und Angst – auch in der eigenen Person
  • Aufbau von Zukunftsgemeinschaften, die in realer Lebenspraxis eine neue Gesamtinformation des Friedens in die Welt bringen
  • Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit allen Gruppen und Einzelpersonen, die am Aufbau der globalen Friedenskraft beteiligt sind
  • Herstellung einer angstfreien Biosphäre
  • Entwicklung eines Konzepts für eine gewaltfreie globale Zivilisation der Erde.

Das IGF kooperiert mit allen Personen und Einrichtungen, die an der Verwirklichung der genannten Ziele interessiert sind.

www.tamera.org