Liebesschule

Die Liebesschule bietet den Schutzraum, um persönliche und kollektive Heilungsvorgänge zu erforschen und zu aktivieren. Unsere Arbeit beruht auf klaren ethischen Richtlinien. Das unterstützt den sicheren Rahmen, in dem sich Liebende voreinander und vor der Gemeinschaft offenbaren können. In einem Raum des Vertrauens verbinden uns die universellen Energien des Eros miteinander, mit der Erde und dem Leben überhaupt. Um eine neue Kultur zu entwickeln, in der Gewalt nicht mehr möglich sein wird, arbeiten wir an der Befreiung von der geschichtlichen Unterdrückung der Sexualität und der Verlustangst in der Liebe.

Konzept

Unsere Liebesschule bietet keine persönliche Therapie. Sie ist vielmehr eine Möglichkeit zur Bewusstseinsbildung im Kern unserer menschlichen Existenz und dient der Zusammenarbeit für den notwendigen globalen Systemwechsel. Sowohl LehrerInnen als auch SchülerInnen der Liebesschule arbeiten im Rahmen dieses politischen Mandats. Die Liebesschule hilft uns, folgende ethische Werte zu leben:

  • Wahrheit in der Liebe
  • Kein Betrug in Partnerschaften
  • Kein Besitzanspruch
  • Solidarität und gegenseitige Unterstützung

Die lange Geschichte der patriarchalen Gewalt und Unterdrückung hat vor allem in den Bereichen von Liebe und Sexualität tiefe Verletzungen in uns hinterlassen – in Form von Verlustangst, Eifersucht, Konkurrenz, Misstrauen und Schwindelei. Deswegen kommen wir so selten ans Ziel unserer Sehnsucht. Wir arbeiten daran, diese Verletzungen zu heilen und sie in Strukturen von Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung zu verwandeln. Dazu müssen wir Sexualität und Liebe in einen anderen geistigen Kontext stellen. Solange wir sie nur als eine rein emotionelle und private Angelegenheit betrachten, werden wir weiterhin den alt eingefleischten Mustern der Angst folgen. Wir bauen Räume auf, die es uns ermöglichen, Wahrheit zu sprechen, uns bewusst zu machen, welchen Mustern wir (meist unbewusst) folgen, und neue Entscheidungen zu treffen.

Heilung geschieht durch Erkenntnis. Wenn man zum Beispiel eifersüchtig ist, kann man erkennen, welchen unbewussten Glaubenssätzen man gefolgt ist. Diese Glaubenssätze kommen aus dem kollektiven Trauma, das wir alle als Folge der patriarchalen Geschichte der Gewalt in uns tragen. In der Bewusstwerdung selbst – darüber, was man tut, warum man es tut und welchem Zweck es dient –  findet die Veränderung statt. Wir werden fähig, Verantwortung für unser Handeln anzunehmen und uns für Vertrauen statt Angst zu entscheiden.

Seit Beginn des Projektes haben wir erlebt, wie durch die Transparenz und Solidarität innerhalb einer Gemeinschaft Konflikte lösbar werden, die normalerweise zum Ende einer Beziehung oder zu Krankheit führen würden. Menschen, die sich erkennen und in ihren Hoffnungen, Ängsten und Konflikten sichtbar werden, einschließlich ihrer Schattenseiten, akzeptieren sich und beginnen ganz von selbst, einander zu unterstützen. Denn sie verstehen, dass wir alle dieselbe Sehnsucht in uns tragen und am selben Trauma leiden.

Wahrheit in der Liebe ist ein heikles Thema. Paare, die voreinander verbergen müssen, dass sie sich erotisch auch zu anderen hingezogen fühlen, werden von schleichendem Misstrauen eingeholt und sind meist kaum in der Lage, damit zu zweit sinnvoll umzugehen. Neben dem regulären Forum im alltäglichen Gemeinschaftsleben bietet die Liebesschule spezielle Foren an, um spezifisch in diese heissen Gebiete von Liebe, Sex und Partnerschaft eintauchen zu können und Lösungen zu finden.

Wir können im Bereich von Liebe und Sexualität keine nachhaltigen Antworten finden, solange wir nur auf der individuellen Ebene bleiben. Die Lösung der Konflikte entsteht durch ein neues soziales System des Zusammenlebens, das den Einzelnen in eine Vertrauensgemeinschaft einbettet. Im Feld des Vertrauens können wir Partnerschaft leben, ohne andere Beziehungen ausklammern zu müssen; wir können aber auch ohne PartnerIn leben und trotzdem erotische Freundschaften und Begegnungen pflegen – oder auch monogam leben, wenn das unserer Wahrheit entspricht. Es gibt kein Regel, welche über unser sexuelles Leben bestimmen könnte, außer der einen, dass wir alle Gründe für Angst und Lüge in Liebe und Sexualität ausräumen müssen.

Ein intimer Bereich der Liebesschule ist der „Tempel der Liebe“. Hier erforschen wir den Eros als eine authentische Kraft der Verbundenheit und als eine universelle Energie, die nicht an Beziehungen oder konventionelle Vorstellungen gebunden ist. Einige Männer und Frauen in der Gemeinschaft durchlaufen eine Ausbildung, um Liebesdienste anbieten zu können. Dadurch werden ungewöhnliche Erfahrungen für die StudentInnen der Liebesschule ermöglicht.

Die Liebesschule bietet außerdem spezifische Frauen- und Männerrunden an, die dazu beitragen, Muster der Konkurrenz aufzulösen und in ein solidarisches Verhältnis miteinander einzutreten. Sobald wir verstehen, dass wir uns als FreundInnen und GenossInnen tatsächlich brauchen, sind wir auf dem Weg zu einer neuen Kultur in Sexualität und Liebe.

Erkenntnisse

  • Wir verwenden verschiedene kreative Methoden, um Wahrheiten auszusprechen, zum Beispiel das Forum. Dadurch können wir psychische Verletzungen vermeiden und statt dessen Solidarität entwickeln. Wir erkennen den Wahnsinn der meisten unserer Beziehungsprobleme. Wir befreien uns von der Schwere dieser Themen, indem wir es lernen, sie in einer künstlerischen Form darzustellen und bewusst zu reflektieren.
  • Eros ist mehr als nur ein persönliches Geschehen zwischen zwei Menschen. Es ist die pulsierende Lebenskraft dieser sinnlichen, irdischen Existenz schlechthin. Indem wir den Eros wieder als universelle Kraft anerkennen, erfahren wir unsere Einheit mit allem Lebendigen.
  • Nach Jahrtausenden von Scham, Demütigung und Erniedrigung kommt es einer Revolution gleich, geschützte Vertrauensräume aufzubauen, in denen wir den Eros als die freie, heilige und universelle Kraft zelebrieren können, die er ist.
  • Um uns als Frauen zu befreien und selbst zu bejahen, arbeiten wir an der Wiederverbindung mit unserer weiblichen Quelle in den Bereichen von Eros, Politik und Spiritualität. Wir nehmen unsere soziale und öffentliche Verantwortung an, eine Kultur aufzubauen, die auf Liebe beruht.
  • Um eine neue Identität als Männer anzunehmen, müssen wir unsere patriarchale Konditionierung erkennen und auflösen und an deren Stelle einen neuen Ausdruck für ein Mannsein finden, das sich kraftvoll in den Dienst am Weiblichen und der Erde stellt.
  • Obwohl wir homosexuelle und alle anderen nicht heterosexuellen Formen der Liebe anerkennen, haben wir uns bisher hauptsächlich auf die Beziehung zwischen Mann und Frau konzentriert, denn wir betrachten sie als einen Schlüssel für die kollektive Heilung der Menschheit. Unabhängig von der individuellen Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung erkennen wir die grundlegende, archetypische Polarität zwischen weiblichen und männlichen Kräften und arbeiten daran, sie wieder in Balance zu bringen. Darauf beruht eine zukünftige Kultur der Partnerschaft.
  • Es gibt kein äußeres Gesetz, welches die richtige sexuelle Wahl vorschreiben darf. Ob du hetero- oder homosexuell bist, monogam, polygam oder zölibatär leben willst, ist allein eine Frage deiner inneren Wahrheit.

Seminare & Globale Liebesschule

Unsere Liebesschule begleitet die MitarbeiterInnen und StudentInnen von Tamera, Paare und Eltern, Jugend und Projektgruppen auf ihren speziellen Wegen der Liebe. Wir bieten regelmäßig interne und externe Seminare an, für FreundInnen von Tamera und StudentInnen vom Plan der Heilungsbiotope.

Einmal jährlich bieten wie die “Globale Liebesschule” an, zu der wir unsere KooperationspartnerInnen einladen – FriedensarbeiterInnen und Führungskräfte aus aller Welt. Hier erforschen wir, wie wir überall in der Welt, in unserem persönlichen und öffentlichen Leben mit den Fragen der Liebe und Sexualität heilend umgehen können. Die globale Liebesschule wurde 2012 von Sabine Lichtenfels und Benjamin von Mendelssohn ins Leben gerufen und hilft mit, ein globales Netzwerk zu errichten und zu vertiefen, um gemeinsam eine neue planetarische Kultur zu verwirklichen.

 

Rede von Sabine Lichtenfels auf der Schweibenalp, Schweiz, Oktober 2012:

www.tamera.org