Wasserretentionslandschaft

Der Fokus unserer ökologischen Arbeit liegt auf dem Aufbau einer Wasserretentionslandschaft als tiefgreifende, ganzheitliche und regenerative Maßnahme für die ökologische Restaurierung. Darunter verstehen wir ein Modell für naturgemäßes und dezentrales Wassermanagement, eine Basis für Aufforstung, Gemüseanbau und Landwirtschaft sogar in Regionen, die von Wüstenbildung bedroht sind. Es ist Teil eines umfassenden Modells für Nachhaltigkeit in großem Stil, das Wasser, Nahrung, Energie und Gemeinschaftsbildung umfasst.

Wasserretentionslandschaften sind der Heilungsimpuls, der von der Erde und all ihren Wesen dringend gebraucht wird. Sie können und sollen an allen Orten entstehen, wo Menschen den Mut, die Kraft und das Wissen versammeln können, das dafür gebraucht wird. (…) Wir dürfen uns nicht an einen Zustand gewöhnen, wo uns etwas, das eigentlich selbstverständlich ist, als unrealistische Utopie erscheint. Eine Welt, in der alle Menschen freien Zugang zu ausreichend Wasser, Energie und Lebensmitteln haben, ist absolut machbar.”

BERND MÜLLER

Vision

Die Menschheit besitzt das Wissen, wie Wüsten und Halbwüsten wieder in lebendige Landschaften mit fließenden Wasserläufen verwandelt werden können. In den meisten Fällen ist Wüstenbildung kein natürlicher Vorgang, sondern das Ergebnis eines weltweit falschen Wassermanagements. Wüsten entstehen nicht durch Mangel an Regen, sondern weil die Menschheit das Wasser falsch behandelt.

Der Alentejo gilt zum Beispiel als aride Region – dabei beträgt die durchschnittliche Niederschlagsmenge fast 700mm im Jahr. Diese Menge an Regen würde ausreichen, um die ganze Bevölkerung der Region mit einer Fülle an Trink- und Brauchwasser sowie die Landwirtschaft mit Bewässerungswasser zu versorgen. Statt dessen fließt das Wasser ungebremst ab, wird nicht genutzt, sondern verursacht sogar Schäden: Es reißt fruchtbaren Boden mit, höhlt die Erde unter Brückenfundamenten aus und überflutet Straßen, Dörfe und Städte.

In einem gesunden Biotop funktioniert die oberste Humusschicht eines Bodens wie ein Schwamm, der das Regenwasser aufnimmt und an den Erdkörper abgibt. Besonders seit den letzten zehn Jahren hat die Bodenerosion weltweit dermaßen zugenommen, dass wir von einer globalen Katastrophe sprechen können. Die natürliche Humusschicht des Bodens ist von einem großen Teil der Erdoberfläche verschwunden. Dadurch hat der Erdkörper in großem Ausmaß seine Fähigkeit, Regenwasser zu speichern, verloren.

In Portugal haben wir viel Regen im Winter, aber trockene Sommer. Doch noch bis vor wenigen Jahrzehnten war der Alentejo eine Region, wo Flüsse ganzjährig flossen. Heutzutage sind die Flussbetten nur während der Regensaison gefüllt und trocknen dann aus; in den Siedlungen und für die Landwirtschaft fehlt dann das Wasser. Das System ist völlig aus der Balance geraten. Wir finden ähnliche Situationen in allen Klimazonen der Erde. Wir nennen dieses Phänomen, wo Wasser nur noch oberirdisch abfließt, den “halben Wasserkreislauf”. Fast überall sehen wir Überschwemmungen und Erdrutsche sowie massive Waldbrände mit katastrophalen Auswirkungen für Menschen, Infrastruktur, Tiere und die Natur. Man spricht dann von Naturkatastrophen – in Wirklichkeit sind sie menschengemacht.

Deshalb können wir nicht warten, bis die Böden durch pfleglichen Umgang und natürliche Landwirtschaft wieder eine Humusschicht ausprägen, denn dies kann 30 oder 40 Jahre dauern. Wir brauchen dessen Schwammeffekt früher. Um den Wasserkreislauf kurzfristig wieder zu vervollständigen, müssen wir einen Weg finden, mit dem der Boden das Wasser aufnehmen kann, noch bevor er eine Humusschicht entwickelt hat. So entstand die Idee der Wasserretentionslandschaft: Es sind Systeme für die Wiederherstellung des vollen Wasserkreislaufes durch das Verlangsamen und Zurückhalten des Regenwassers dort, wo der Regen fällt.

Grafik: unvollständiger und vollständiger Wasserkreislauf

Ergebnisse

Es gibt viele Techniken, das Regenwasser auf dem Land zu halten, und sie können vielfältig miteinander kombiniert werden. Wasserretention kann den Aufbau von Check-Dams, Swales, Terrassen, Tiefpflügen entlang der Höhenlinien oder andere Techniken eines verantwortlichen Umgangs mit der Erde umfassen – wie etwa: Wiederaufforstung in Mischkultur, biologische Landwirtschaft und besondere Weidetechniken wie zum Beispiel ganzheitliches Weidemanagement (Holistic Planned Grazing).

Das grundlegende Prinzip einer Wasserretentionslandschaft ist: Kein Regenwasser soll vom Grundstück abfließen, sondern es soll dort, wo es fällt, vom Erdboden aufgenommen werden. Im Erdkörper füllt es das Grundwasservorkommen, wird gereinigt, mineralisiert und reift – und kommt als Quelle wieder an die Oberfläche. Nur Quellwasser soll in Flüssen und Bächen fließen und dabei stetig Menschen, Flora und Fauna mit flüssigem Leben speisen – auch während der regenfreien Zeiten.

In Tamera haben wir eine Reihe miteinander verbundener Retentionsräume geschaffen, einige in der Größe von Teichen, andere so groß wie Seen. Hier sammelt sich das Regenwasser hinter einem Damm aus gestampfter und gewalzter Erde. Der Boden der Retentionsräume ist nicht mit Beton oder künstlichem Material versiegelt, hier kann das Wasser langsam, aber stetig in den Erdboden einsickern.

Eine “Wasserretentionslandschaft” ist Teil eines Konzeptes für die Heilung der Natur. Der Aufbau von Wasserretentionslandschaften ist eine aktive und effektive Antwort auf die Naturzerstörung unserer Zeit. Diese Technik wurde in Tamera in intensiver Kooperation mit dem österreichischen Permakulturspezialisten Sepp Holzer sowie anderen Ökologen und Visionären aus verschiedenen Ländern entwickelt.

Sepp Holzer und Bernd Müller, der ehemalige Leiter des Global Ecology Institutes in Tamera, erklärten 2011 die Prinzipien der Wasserretentionslandschaft. Sie beschreiben die Wirkung und die Grundideen für den Aufbau einer Wasserretentionslandschaft: eine lokale und natürliche Lösung für das globale Problem der gestörten Wasserhaushalte.

Wasserretentionslandschaft in Bildern

Schlüssel-Gedanken

  • Wasser ist das fehlende Glied für die Reversion des Klimawandels.
  • Wasserautonomie ist möglich – in unserer Region und überall auf der Erde.
  • Die Restauration natürlicher Wasserkreisläufe ist der erste und unersetzliche Schritt für die Restauration von Ökosystemen und die Grundlage für Selbstversorgung.
  • Wo immer du bist: Sieh zu, dass Regenwasser nicht mehr ungenutzt abfließt, sondern stattdessen das Grundwasser anreichert.

www.tamera.org